Gebirgsseglercup 2024 Bericht

Eine Segelcrew im Regattamodus

Ende April 2024 war es wieder soweit: der 17. Gebirgsseglercup, die erste vom Yachtclub Austria organisierte Hochsee-Regatta des Jahres, fand von 22.04. – 25.04.2022 in  Mitteldalmatien statt. Von Trainings und Wettfahrten, Crews und Individuen, Sport und Partys: wie nah doch Freud und Leid beieinanderliegen können. Von Jasmin Otto.


Der GEBIRGSSEGLERCUP

Organisation: Yachtclub Austria, Crew Steiermark

1. Gebirgsseglercup: 2007, findet seither jährlich im April statt

Segelrevier: Dalmatien

3 Wettbewerbsklassen:

10 First 35 mit Spinnaker – diese Schiffe kann ein berechtigter Skipper chartern.

14 Bavaria 46 mit Gennaker – diese Schiffe kann ein berechtigter Skipper chartern

Eine offene Klasse, deren Schiffsunterschiede (Vor- / Nachteile der Schiffsbauweisen zueinander)  durch eine international anerkannte Berechnung vergleichbar gemacht werden. Status: die Regatta ist nach den Regeln des österreichischen Segelverbandes anerkannt und die Teilnahme zählt für die Austrian Off-shore Trophy


1500.-€! Viel Geld für …ja, was eigentlich genau?

Montag: Navigationsfahrt Murter – Biograd/Marina Kornati

Der erste Regattatag ist vorbei. Nach 3 Stunden und 14 Minuten Fahrt und mehreren verpatzten Manövern steht fest, dass wir als 13. von 14. Schiffen die Ziellinie überquert haben- und das hätten wir fast vergeigt, weil sich die Crew uneinig darüber war, wo genau sich die Ziellinie befindet! Ich sitze vorne am Schiff, spüre jeden Muskel vom mehrmaligen aufklarieren (aufräumen, herrichten) des Gennakers (sehr großes Beisegel für ein Schiff) und den Fehlversuchen, das scheiß Segel ordentlich zu setzen. Trotz aller Trainingsambitionen an den Vortagen ging alles schief, was mit diesem Segel schiefgehen konnte. Zahle ich tatsächlich rund 1500,-€uro für ein 2-Tagestraining und anschließender Regatta, für blaue Flecken, Ärger und vergebene Liebesmüh? Momentan werde ich das Gefühl nicht los, mein Geld wäre als Kaminfeuer besser angelegt.

Ich gehe wieder zurück zur Crew ins Cockpit, um beim Anlegemanöver zu helfen. Die anderen Schiffe haben bereits alle angelegt, wir wollen kein Hafenkino liefern. Alle von unserer Crew wirken ernst, manche machen ironische Späße, unser Crew-Sonnenschein verharmlost wie aus dem Lehrbuch „Platz 13 ist doch super! Wir sind nicht als letzte ins Ziel!“. Ich gehe weg damit ich ihr nichts tue…Vielleicht bin ich doch nicht so teamfähig, wie ich immer denke.

Für 17 Uhr stehen die  Sailingstar-Präsentationen vor dem Marina-Restaurant auf dem Programm: Crews, die sich freiwillig dazu anmelden, machen sich vor allen anderen Teilnehmenden der Regatta zum Affen. So drücken es zumindest die Skeptiker aus. Eine Crew moderiert ein lustiges Moorhuhnspiel, eine andere Crew lässt uns Eiswürfel-Ziel-Spucken, 4 andere kommen verkleidet und ziehen eine 2-3minütige Show ab. Gewinner wird eine Crew bestehend aus 5 Männern um die 30, die in Bademänteln kommen und rhythmisch den Takt zu einem Lied aus der Dose klopfen, indem sie in Unterhosen dastehen und mit an ihre Beine gebundenen Suppenschöpfern auf einen Kochtopf klopfen, der vor ihrer Spaßzone hängt. Mein Ärger vom Regattatag ist verflogen und das Essen, dass im Rahmenprogramm der Regatta im Marina-Restaurant, begleitet von einem DJ, stattfindet, sorgt für einen geselligen und leicht beschwipsten Tagesausklang. OK! Auch morgen werden wir unser Bestes geben! Und ich schwöre, wenn das Segel wieder so bockt, schwimme ich nach Hause!


Vorspiel: Super Training, super Crew – wir werden das Ding rocken!

Donnerstag, Freitag:  Training, 5/6 Mädels und ein Profi

Wir kommen gegen 23.00 in Murter (Kroatien) an und bekommen, zum Trost, da das Schiff, auf dem wir trainieren und schlafen sollten noch nicht da ist, von einer befreundeten Crew einen Welcome-Drink. Danach fallen alle todmüde ins Bett des Appartements, das vom Trainingsanbieter organisiert wurde. „Alle“: eine schläft im Auto, eine andere war schon da und schläft da wo sie zuvor schlief. Da die Ankunft improvisiert war, geht es ohne Frühstück aufs Schiff und der Trainingstag nimmt mit wenig Verpflegung seinen Lauf. Dementsprechend steif, unsicher und etwas konfus ist die Crew. Der Trainer ist ehemaliger Segelprofi und führt uns gekonnt und mit guter Stimmung durch den Tag. Am 2. Trainingstag zeigen sich weitere Unsicherheiten der Crew: die siebte von acht Mitseglerinnen schließt sich dem Training an, die achte und damit letzte, soll am Samstag von Berlin ankommen. Der Vortag hat Spuren in Sachen Energie hinterlassen, uns wird bewusst, dass wir ab morgen auf einem völlig anderen Schiff segeln werden und wir sind kein eingespieltes Team. Der Trainer gibt uns an Wissen mit, was geht. Abends ziehen wir eine Nacht früher als grundsätzlich mit dem Vercharterer vereinbart, gegen ein Entgelt von  €150,- für die ganze Crew, auf unser Regattaschiff um, nachdem wir erst gestern früh in dieses Schiff eingezogen sind. Die Regattaleitung hat für alle Segler die bereits anwesend sind, ein gemeinsames Peka-Essen (Peka: eine kroatische Spezialität) organisiert und wir finden mit einer ersten Gin-Verkostung auf unserem Regattaschiff einen geselligen Abendausklang. Die halbe Crew geht mit einem angenehm-lustigen Schwips schlafen und ist einigermaßen aufgeregt, den nächsten Trainingstag erstmals in vollständiger Besetzung und ohne Trainer zu bewältigen. Alle sind top motiviert – Kunststück, der Gin erfüllt seinen Sinn!


Nach der Party ist vor dem…Sport?

Mittwoch: Navigationsfahrt Marina Kornati – Murter/Marina Hramina

YESSS!!! Wir haben den 2. Platz in unserer Klasse gemacht, wie geil ist das denn? Wenn man bedenkt, wie das erste Training ohne Trainer am Samstag, währenddem wir voll vom Regen erwischt wurden, gelaufen ist! Die Navigationsfahrt am Dienstag, nach Veli Iz, läutete schon irgendwie die Wende ein.  Die Tipps, die wir Montag abends noch von unserem Trainer bekamen, konnten wir geschickt umsetzen und ernteten bereits beim Abendessen im Marina-Restaurant, ganz im Gegensatz zu den Mitleidsblicken am Montag, erste anerkennende Blicke für einen gut gefahrenen 3. Platz. Das Hochgefühl an dem Abend  mündete nach dem Abendessen (warmes Buffet am Steg, direkt vor unserem Schiff) in einer gepflegten Party auf unserem Schiff, an der gefühlt die halbe Regatta teilnahm. Zumindest ein Teil der Leute die kamen, brachten aber auch Getränke mit. Gegen Mitternacht waren wir aber trotzdem „leergesoffen“. Es war ein super Abend, der die Katerstimmung heute morgen absolut wert war.

Die bisherigen Platzierungen (von 14): 13, 3, 2. Morgen noch eine gute Wettfahrt hinlegen und alles ist perfekt.


Finish: super Crew, keine Wettfahrt und, eine Crew besteht aus Individuen!

Donnerstag: Marina Hramina

Was ist schlimmer als ein Vollrausch mit Fusel? Eine Segelcrew im Erfolgsrausch bei Flaute! Die Wettervorhersage ist bescheiden, weshalb der ganze Regattatross erst kurz vor Mittag ausläuft. Die Regattaleitung will unterwegs einen Startpunkt für eine Wettfahrt finden, aber alles Warten und Hoffen nützt nichts, es ist keine Wettfahrt möglich. Flaute!

Wir fahren unverrichteter Dinge zurück in die Marina, wo uns eine Abschlussfeier und die Siegerehrung erwartet. Ich bin enttäuscht, weil wir keine Gelegenheit mehr hatten, noch einen guten Platz herauszuholen, lasse mich aber auch gerne von meinen gut gelaunten Crewkolleginnen mitreißen. Die Siegerehrung im Marina-Restaurant ist schön gestaltet, jede Crew bekommt ihren wohlverdienten Applaus, jeder Segler eine hübsche, kleine Trophäe und die Crews der Gruppengesamtsieger schöne, große und klobige Pokale. Nach dem offiziellen Teil geht die Party los und alle feiern ausgelassen, bis sich kleinere Grüppchen wieder auf dem einen oder anderen Schiff treffen. Ausnahmen gehen schlafen oder unterhalten sich nüchtern.

So eng es in der Vorwoche auf dem Schiff zuging, so schnell löst sich die Verbundenheit in der Vorstimmung zur Abreise wieder auf. Einzelne Crewmitglieder hängen sich wieder mehr bei ihren Partnern an, die auf anderen Schiffen gesegelt sind und andere unterhalten sich bereits über die Regatta im nächsten Jahr, mit neuen Crews, mit der bisherigen Crew, alles ist dabei. Im Hochgefühl wird alles und jedes zugesagt, nichts soll und kann der guten Stimmung zum Abbruch verhelfen und ein großer Teil aller Regattateilnehmer*innen geht mit dem guten Glauben um einen schönen Regattaplatz im nächsten Jahr von der Feier weg.

Drei Wochen später ist dann oft alles anders. Skipper entscheiden sich um und wollen nicht mehr Skipper sein, Crewmitglieder entscheiden anders und wollen nicht mehr mit den bereits zugesagten Schiffen mitfahren… nun ja- ein Jahr im Vorhinein Zusagen zu machen ist nicht für jeden was, und seien wir mal ehrlich: es sind ja noch 11 Monate Zeit, bis zum Gebirgsseglercup 2025. Bis dahin wird bei manchen Crews neu gewürfelt und man kann wieder aufs Neue gespannt sein, wie das Rennen läuft.


Regatta, Regatta, Regatta: nicht jede Regatta ist gleich

Hast du eine Regatta gesehen, kennst du genau diese eine Regatta. Der Gebirgsseglercup gilt in Österreich als die familiärste und freundschaftlichste aller österreichisch veranstalteten Regatten und hat mir eindrucksvoll bewiesen, dass er es auch ist. Am Wasser beflegeln sich die Crews, so wie bei jeder anderen Wettfahrt auch, doch abends, am Steg, wird wieder miteinander gegessen, getratscht und gefeiert. Das ist bei sportlicheren Regatten nicht grundsätzlich und immer der Fall. Wer weniger Community und Geselligkeit, dafür aber mehr Wett- und Konkurrenzkampf sucht, ist bei dieser Regatta eventuell nicht sehr gut aufgehoben. Für Partypeople, Neueinsteiger und Freigeister, die sportliches Segeln mit Spaß und Geselligkeit verbinden wollen, ist der Gebirgsseglercup jedoch genau das Richtige.